Zuerst veröffentlicht im Februar 2021 im Kontext einer Forumsdiskussion, in der es um Vorüberlegungen zur Konsensierung von Identitätsaussagen von „dieBasis“ ging (deren Mitglied ich von November 2020 bis Oktober 2021 war).
Nachdem ich die 83 vorherigen Beiträge dieser Forumsdiskussion durchgelesen habe, kam mir die Lieblingsdenkfigur eines meiner Psycho-Ausbilders (Systemischen Strukturaufstellungen) in den Sinn: Das Tetralemma1. Diese Denkfigur besteht aus „Das Eine“, „Das Andere“, „Beides“, „Keins von Beiden“. Auf die „Fünfte Position der reflexiven Verneinung“ der in der Systemischen Aufstellungsarbeit gerne genutzten neueren Version des Tetralemmas, mit der Bezeichnung „Diese (vier Positionen) nicht, aber auch das (der jeweils neu benannte Inhalt) nicht“, gehe ich hier nicht ein.
Die Redundanz der Diskussion überwinden
Die bisher in dieser Forumsdiskussion leicht unterschiedlich, aber doch wiederkehrend formulierten Positionen zu den Vorschlägen bezüglich der hauptsächlich zu betonenden indentitätsstiftenden Aussagen für „dieBasis“ könnte man als die ersten drei Positionen eines Tetralemmas sehen:
- (1.) Der Widerstand gegen die Corona-Maßnahmen wird betont. („Das Eine“)
- (2.) Die basisdemokratische Besonderheit wird betont. („Das Andere“)
- (3.) Der Widerstand gegen die Corona-Maßnahmen UND die basisdemokratische Besonderheit werden betont. („Beides“)
Neu wäre es, zu einem „Keins von Beiden“ zu kommen. Der Versuch, eine solche 4. Position zu benennen, würde u.a. die Entstehungsbedingungen in den Blick bringen, aufgrund derer es überhaupt zum Dilemma „Das Eine vs. das Andere“ kam. Es ist der Versuch, die redundante Diskussion der bisherigen Versuche, zu einer Identitätsbeschreibung zu kommen, innerhalb eines größeren Kontextes zu betrachten. Hier ein Versuch von vielen möglichen , die in Bezug auf die Beschreibung der das Dilemma miterzeugender Kontexte denkbar sind:
- (4.) Weder „Widerstand gegen die Corona-Maßnahmen wird betont“ („Das Eine“), noch „Die basisdemokratische Besonderheit wird betont“ („Das Andere“), noch beide Charakteristika („Beides“) werden betont, sondern als wichtiger, das Dilemma erzeugender Kontext („Keins von Beiden“) wird das Vorhandensein einer unüberbrückbar erscheinenden Spaltung in unserer Gesellschaft betont, die sich in vielen seit Jahren, Jahrzehnten und teilweise Jahrhunderten schon existierenden Erscheinungsformen und Manifestationen zeigt. Die Mitglieder von „dieBasis“ anerkennen die Tatsache, dass ihre Partei als Teil dieser Gesellschaft auch von dieser Spaltung und ihren verschiedenen Erscheinungsformen betroffen ist, d.h. dass sie darum wissen, dass diese Spaltung das Leben, seine Kommunikationszusammenhänge und auch die Psyche aller Menschen in unserer Gesellschaft betrifft, also auch alle Mitglieder ihrer eigenen Partei und damit eben auch sie selbst, jeden und jede einzeln.
Historisch, gesellschaftlich und psychisch geschichtete Spaltungen
Zu den seit langen existierenden gesellschaftlichen Spaltungen kam innerhalb des letzten Jahres diejenige hinzu, die sich in der gesellschaftlichen Lagerbildung von „Befürwortern und Kritikern der herrschenden Corona-Politik“ und von „Maskenträgern und -verweigerern“ manifestiert. Diese Spaltung kommt zu allen anderen historisch, gesellschaftlich und psychisch, d.h. die eigene, individuelle Lebensbiografie betreffend, schon angelegten Spaltungen hinzu – gewissermaßen als die oberste Schicht aller ohnehin schon vorhandenen.
Eine Variante dieser Lagerbildung findet sich natürlich auch unter den Mitgliedern von „dieBasis“ als Befürworter und Gegner einer „dieBasis“-Identitätsbeschreibung, in der „Widerstand gegen die Corona-Maßnahmen“ entweder eher hervorgehoben oder eher versteckt werden soll. Die Mitglieder und Funktionsträger von „dieBasis“ sind sich also bewusst, dass sich diese Spaltung in der einen oder anderen Form auch in der Partei zeigt oder zeigen wird, vermutlich nicht nur im Umgang mit dem Thema „Identität und Corona-Widerstand“.
Die Spaltung in zwei Lager, die sich gesamtgesellschaftlich in der Spaltung von „Maßnahmenbefürwortern und -kritikern“ und der durch aberwitzige staatliche Verordnungen unnötig eskalierte Konflikt zwischen „(solidarischen) Maskenträgern (Lebensrettern)“ und „(asozialen) Maskenverweigerer (Mördern)“ ist eine der vielen Erscheinungsform von über viele Generationen hinweg entstandenen tiefen Rissen und Spaltungen im gesellschaftlich-kommunikativen Zusammenhalt. Sie geht als in verschiedenen Erscheinungsformen auftretenden Grundspaltung an den Mitgliedern der Partei „dieBasis“ nicht vorbei. Sie baut auf einer oder auf mehreren, oder besser, korrespondiert mit einer oder mehreren der vielen anderen, gesellschaftlich als historisch schon durchlebten, aber oft im seelischen Untergrund der Menschen noch vorhandenen Spaltungen.
Das wird deutlich, wenn man an Begriffe wie „Klimaleugner“ und „Corona-Leugner“ (abgeleitet von „Holocaustleugner“) denkt, an „Impfbefürworter und -gegner“, „Autoritäts- und Wissenschaftsgläubige“ und „Freidenker“, „Anhänger und Gegner der Viren- oder Infektionstheorie“ (vergl. das Buch „Virenwahn“ von Dr. Köhnlein, Mitglied von „dieBasis“, und die Arbeiten von Dr. Stefan Lanka), „Integrations-Befürworter und -Gegner“ („Ethnisch Offene“ vs. „Xenophobe“), „Angehörige schwul-lesbischer Communities“ und Homophobe“, (damals offen faschistisch denkende und agierende, heute die überlegene, richtige Haltung und Einstellung habende) „Herrenmenschen“ und (abgewertete, ausgegrenzte oder damals sogar getötete), „Unter- oder Nicht-Menschen“ (damals Nazis und Juden/Sinti, Roma/Homosexuelle, heute als „Nazis“ und „Kümmeltürken“, aber eben auch als „Aluhüte“ und „Verschwörungstheoretiker“ und „psychotische Schwurbler“ bezeichnete Andersdenkende), „Gerechte“ und „Sünder“, „Mainstreamer“ und „Dissidenten“, „Orthodoxe“ und „Häretiker“. Auf einer Basis-Ebene findet sich vielleicht die in allen drei abrahamitischen Religionen, Juden-, Christentum und Islam, gleichermaßen tiefe, in der Vergangenheit höchstens durch mehr oder weniger gewaltsames Missionieren zu überwindende Trennung zwischen den Angehörigen des „Auserwählten Volk Gottes“ und den jeweiligen „Nichtauserwählten“ – und geschichtlich davor vielleicht die zwischen „Herren“ und „Sklaven“ .
Zu all diesen in den Seelen noch anwesenden und zu meist noch weiterwirkenden Spaltungen kommen für die Einzelnen noch Loyalitätsspaltungen aus der eigenen Biografie hinzu und verstärken in den Interaktionen von Einzelnen und Gruppen die geschichtlich und psychisch darunter liegenden Spaltungen so sehr, so dass es oft zu kaum noch deeskalierbaren Konflikten kommt: In den eigenen Familien- oder Freundeskreisen, Vereinen, Berufsfeldern, -gruppen und -verbänden, denen man sich zugehörig fühlt, sind wir einigen Menschen oder Gruppen gegenüber loyal und andere schließen wir – oft per Seelenmord durch Exkommunikation, also mehr oder weniger tötend – aus der Kommunikation und jedem menschlichen Umgang mit uns aus.
Diese Loyalitätsspaltungen reinszenieren wir, aufgrund und als Folge all dieser Spaltungen, oft unbewusst im Zuge sogenannter „Versehentlicher Aufstellungen“ mit vielleicht gerade kennengelernten Noch-Fremden, mit Bekannten und auch mit (Partei-)Freunden. Das ist kein Wunder, sind wir in unserer Gesellschaft doch alle mehr oder weniger traumatisiert. Und als Traumatisierte, d.h. als Traumaopfer, und zumeist gleichzeitig auch Traumatäter, neigen wir dazu, uns (immer wieder oder auch neu) mit anderen Menschen in Reinszenierungen unserer Traumata2 zu verwickeln. Das geschieht auch gerne mit den anderen Mitgliedern in einer gemeinsamen politischen Bewegung.3
Ein erster Denkvorschlag zum Konsensieren
Ein erster Denkvorschlag, aus dem dann zu konsensierende Aussagen destilliert, kondensiert hierarchisiert und prioritisiert werden könnten:
- Die Mitglieder und Funktionsträger von „dieBasis“ verpflichten sich, neben der coronalen Spaltung und Lagerbildung all die möglichen anderen Manifestationen und Ebenen von unser gesellschaftliches Leben durchdringenden Spaltungen als potentielle oder tatsächliche Konfliktpositionen auch unter den Mitgliedern der eigenen Partei wahrzunehmen, zu akzeptieren, für eine achtsame Erforschung willkommen zu heißen und zu beschreiben, sie gewaltfrei zu erforschen und konstruktiv-kreativ für innerparteiliche Besinnungs- und Identitätsstiftungsprozesse und für die Bestimmung der politischen Positionen ihrer Partei zu nutzen.
- Die „dieBasis“-Mitglieder sind sich darüber bewusst, dass die oben beschriebenen gesellschaftlichen Spaltungen tief durch alle in unsere Gesellschaft sozialisierten Individuen geht, also auch, bei aller gesellschaftlich, psychologisch und politisch schon gewonnenen Klarheit, durch sie selbst als „Kinder dieser Gesellschaft“. Die Mitglieder von „dieBasis“ versuchen, achtsam mit diesen Spaltungen und Konflikten in sich selbst, in ihren Mitparteimitgliedern und auch in allen Menschen außerhalb der Partei umzugehen, um die in ihnen verborgene Energie und die noch nicht ausgepackten Erkenntnisse konstruktiv zum Wohle aller Mitglieder und aller Menschen in unserer Gesellschaft zu nutzen.
- „DieBasis“ steht für die gesamtgesellschaftliche Bemühung, all diesen Spaltungen entgegenzuwirken und ein kreativ-lösungsorientiertes gesellschaftliches Leben der Menschen miteinander zu ermöglichen.
Es gibt aktuell wohl keine andere Partei, die es sich in vergleichbarer Weise zum Ziel macht, die über Jahre und Jahrzehnte entstandenen gesellschaftlichen Spaltungen zu überwinden. Im Gegenteil: Unter Ausnutzung einer grippeähnlichen Viruserkrankung werden die existierenden gesellschaftlichen Spaltungen durch die Regierung und die (vielleicht mit Ausnahme der AfD) Bundestagsparteien bewusst vorangetrieben und vertieft. Diese staatlich geförderte Spaltung der Bevölkerung zeigt sich besonders im Umgang mit den Kritikern der Corona-Maßnahmen und wird überdeutlich in der denkbefreiten Verwendung von Kampfbegriffen, wie dem des SPD-seitig eingeführten „Covidioten“ und dem des wieder ausgegrabenen, damals zur Vertuschung der Ungereimtheiten der Umstände des Kennedy-Mordes eingeführten Diskreditierungsbegriffes „Verschwörungstheoretiker“. Folge dieser regierungs- und medienseitig hochgradig eskalierend eingesetzten Begrifflichkeiten ist die Verwendung der in der entgegengesetzten Richtung ebenso diskreditierenden Bezeichnungen wie „Zeugen Coronas“ und „Schlafschafe“.
- Siehe Matthias Varga von Kibéd/Insa Sparrer: Ganz im Gegenteil. Tetralemmaarbeit und andere Grundformen Systemischer Strukturaufstellungen – für Querdenker und solche, die es werden wollen ↩
- Siehe dazu die Arbeiten des „dieBasis“-Mitgliedes Prof. Franz Ruppert: https://franz-ruppert.de/de/aktuelles ↩
- Siehe dazu das besonders für politische Gruppierungen hochrelevante Buch von Steve Wineman, „Power Under: Trauma and Nonviolent Social Change“, welches er zum freien Download zur Verfügung stellt: http://www.traumaandnonviolence.com/download.html. ↩